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GWEN’S BLOG

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ESSAY #1 – 08.03.2022

Weltfrauentag

Ich habe für den Weltfrauentag nach Zitaten gesucht. Doch statt motivierender Sprüche, wurde ich beim Lesen der unzähligen Aussagen wirklich wütend.
Anfang der 2000er dachte ich tatsächlich noch, dass das so ist, wie diese Männer es beschreiben:

Es ist schwierig den Frauen rechtzugeben, denn mittlerweile haben sie ihre Meinung vielleicht schon geändert – Marcello Mastroianni

Frauen müssen ab und zu eins auf den Hintern bekommen. Manchen gefällt’s. –  Sean Conner

Solange der Nagellack nicht trocken ist, ist eine Frau wehrlos. – Burt Reynolds

Vermutlich hat Gott die Frau erschaffen, um den Mann kleinzukriegen – Voltaire

Frauen arbeiten heutzutage als Jockeys, stehen Firmen vor und forschen in der Atomphysik. Warum sollten sie irgendwann nicht auch rückwärts einparken können. – Bill Vaughan

Und das geht quasi so über mehrere Seiten.

Was mir heute, am 08.03.2022, dabei auffällt: kein Mann würde das heute mehr in der Öffentlichkeit sagen. Es gibt sicher kaum noch einen Kontext in dem das irgendwer wirklich witzig oder „cool“ findet. Was mir bei der Recherche auch auffiel: auch Frauen sind nicht nett zu ihrem eigenen Geschlecht:

Wenn ein Mann will, dass seine Frau zuhört, braucht er nur mit einer anderen zu reden. – Liza Minnelli

Hier wird ja impliziert, dass wir Frauen von Natur aus neidisch sind. Aber warum? Weil uns das so anerzogen wird. Sozialisation ist hier das Zauberwort. Genau so wie dieses toxische „Sei ein Mann! Du musst dich zusammenreißen! Männer zeigen keine Schwäche!“, das Jungen von klein auf beigebracht wird.

Und gerade wegen dieser Erziehung, war früher der Meinung, ich könnte nur als Mann erfolgreich sein. Und so tat ich fast alles um mich „dem Männlichen“ anzugleichen. Ich achtete genau drauf, was ich wie-wann-wo an hatte. Ich machte nichts nur weil es mir gefiel, sondern hatte immer nur Angst, ich könnte zu weiblich oder zu schwach rüber kommen. Ich versuchte mich sogar wie ein Mann zu bewegen.

Und trotz all meiner Bemühungen wie die Männer sein zu wollen, nahm mich kaum einer ernst. Falls Sie es doch taten, wussten die meisten das sehr gut zu verstecken. Ich war konstant verunsichert, wusste nicht wer ich bin, fühlte mich in der Gegenwart von anderen Frauen wie ein Fremdkörper aber zu den Männern gehörte ich natürlich auch nicht. 

Heute kam mir die Erkenntnis, dass ich jetzt endlich an dem Punkt bin, mit Mitte 30…*seufz*, sagen zu können: ich bin eine Frau. Ich hab meine Ecken und Kanten aber auch meine runden und weichen Seiten. Genau so wie das jeder Mensch haben darf. Egal ob Mann oder Frau oder etwas dazwischen.

Der Frauenkampftag ist für mich ein Tag geworden, an dem wir Frauen und alle die sich als solche fühlen, sehen und erst später erkannt haben, uns zusammentun und für Gleichberechtigung kämpfen. Und das sollte nicht nur an einem Tag der Fall sein, sondern immer.

Wenn wir Feminismus als das leben, was er ist, müssen wir ihn zu Ende denken. Es gab schon immer Frauenbewegungen. Angefangen bei der französischen Revolution, an deren Aufständen auch viele Frauen beteiligt waren, über die Suffragetten, ohne die wir vermutlich nicht wählen dürften, bis hin zu den Feministinnen der Neuzeit, die viel inklusive denken, als z.B. Alice Schwarzer. TERFs sind (in meinen Augen) keine Feministinnen. Die Welt ist nämlich nicht schwarz weiß, sondern besteht aus sehr vielen Facetten, die man nicht einfach wegdenken kann. 

Wenn wir Feminismus zu Ende denken, dann sind wir Frauen nur der Anfang. 

Die Welt ist voller Ungerechtigkeit, die von patriarchalen Machtstrukturen aufrecht gehalten wird, weil sie einer bestimmten Gruppe dient: dem weißen cis Mann. Das Gute ist: auch weiße cis Männer können Feministen sein. Keiner zwingt heute einen Mann noch dazu sich zu verbiegen und so zu tun, als sei er Conan der Barbar oder ein gefühlloser Terminator. 

Okay, fast keiner. 

Es gibt immer noch Gruppen in unserer Gesellschaft, die vielleicht an dieser Art der Erziehung festhalten. Aber es gibt Auswege. Wir sind 2022 vernetzter. Wir wissen heute mehr als vor 100 Jahren.

Und Putin hätte uns für 2022 kein besseres Beispiel dafür geben können, warum Feminismus eigentlich die Basis sein sollte. Genau diese toxische Männlichkeit und der darauf basierende Machtanspruch und ein imperialistisches Ideal, war schon immer Ursache von Konflikten und Kriegen. Anders kann man sich sein Handeln eigentlich nicht erklären: er hat einfach Angst, sein Gesicht, seine Macht, seinen Status zu verlieren. Angst. Ihm fehlt die Balance. Ihm fehlt eine feministische, schöpferische Sicht auf die Welt. Man kann Konflikte immer ohne Gewalt lösen. Aber wenn man das nie gelernt hat, kommt es einem so vor, als sei Gewalt der einzige Weg. Und wer muss schon von klein auf lernen sich anzupassen und in einer von Macht und Gewalt regierten Welt klar zu kommen? Richtig: Frauen und alle, die divers sind und nicht in das weiße cis-Weltbild passen.

Deswegen glaube ich, dass man Feminismus so definieren muss:

Eine Bewegung, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau schaffen will. Um das zu schaffen muss für alle Ausprägungen von Männlichkeit und Weiblichkeit und für alles was dazwischen liegt Platz sein. Ein Spektrum, auf dem alle Farben, alle Geschlechter, alle Identitäten in ihrer wunderbaren Vielfalt vertreten sind.
Denn Vielfalt ist keine Schwäche, Vielfalt macht uns reicher an Wissen, reicher an Kultur und schafft Platz für Akzeptanz statt Konflikt, Neid und Machtansprüche. Feminismus steht für Schöpfertum, Ausgleich, Gerechtigkeit.

Wenn wir da angekommen sind, dann können wir wieder darüber reden, ob die Zitate, die mich heute so wütend gemacht haben, evtl. wieder witzig sein können, da sie auf gleicher Augenhöhe stattfinden.